Yin Yoga für Anfänger – 10 faszinierende Fakten rund um Philosophie und Wirkung von Yin Yoga

Was ist eigentlich … Yin Yoga? Der passive und sehr ruhige Yoga-Stil zeichnet sich durch langgehaltene Bodenposen und eine introspektive Praxis aus und ist mittlerweile wohl aus keinem Yogastudio mehr wegzudenken. Kein Wunder – hilft Yin Yoga uns doch dabei, den Stress und die Hektik des Alltags hinter uns zu lassen, den Blick auf unser Inneres zu lenken und zu mehr Balance zu finden. Doch wo findet Yin Yoga seinen Ursprung, wie und wo wird Yin Yoga praktiziert und was für Vorteile bietet die passive Praxis ganz genau?
Ob Schwan oder Drache, ob Sattel oder Schnürsenkel – von diesen Asanas hast du noch nie gehört, obwohl du selbst begeisterter Yogi bist? Kein Wunder, denn es sind die ganz eigenen Bezeichnungen der Körperhaltungen im Yin Yoga! Die moderne und sehr sanfte Yin Yoga-Übungspraxis unterscheidet sich von yang-orientierten, dynamischen und aktiven Stilen wie Hatha, Vinyasa oder Ashtanga aber nicht nur hinsichtlich der Begriffe, sondern vor allem auch hinsichtlich Geschichte, Ausübung und Intention.
Yin yoga: Ruhig, passiv, sanft – und intensiv!
Yin Yoga ist ein sanfter, passiver und sehr ruhiger Yoga-Stil, bei dem die Asanas hauptsächlich in liegender oder sitzender Position geübt und zwischen drei und fünf Minuten gehalten werden. Anders als z. B. beim Ashtanga oder Vinyasa liegt der Fokus beim Yin Yoga nicht auf Kraft und Muskelarbeit, sondern auf dem Bindegewebe und den Gelenken – die allein mithilfe der Schwerkraft sanft gedehnt und gestärkt werden.
Yin Yoga ist ein wunderbarer Yoga-Stil für Anfänger, die zum ersten Mal auf der Matte stehen (oder in diesem Fall vielmehr sitzen!), da die Intensität der Asanas ganz individuell bestimmt werden kann und auch soll. Im Yin Yoga geht es nicht um den Vergleich oder das nächste höhere Ziel, sondern ganz allein um den Moment, das eigene Gefühl und die eigene Praxis. Durch das sanfte, langsame und sehr achtsame Üben lernen gerade Neu-Yogis ihrer Körper und ihren Geist wunderbar und in einem angenehmen und selbst zu bestimmenden Tempo kennen.
Im Yin Yoga geht es um die Arbeit und um das Loslassen auf drei Ebenen: der körperlichen, der seelischen und der geistigen. Was aufgrund der Passivität zunächst einfach und entspannt aussieht, ist jedoch eine intensive und herausfordernde Yoga-Praxis!

Yin Yoga-Wissen für Anfänger: 10 Fakten rund um den passiven Yoga-Stil
1. Yin Yoga kombiniert alte Traditionen mit modernem Ansatz
Obgleich die indischen und chinesischen Traditionen, auf denen Yin Yoga basiert, in ihren Ursprüngen natürlich sehr alt sind, so ist die Praxis, wie wir modernen und westlichen Yogis sie heutzutage üben, ziemlich neu. Tatsächlich entstand sie nach und nach ab den 1970er-Jahren – damals entwickelte der US-Amerikaner Paulie Zink, quasi als moderner Wegbereiter, einen Yoga-Stil um die Meridiane (in der traditionellen chinesischen Medizin die feinstofflichen Leitbahnen, durch die unsere Lebensenergie fließt) herum, den er Taoistisches Yoga nannte. Sein Schwerpunkt lag auf einem Mix aus aktiven und passiven Asanas, um Blockaden in den Meridianen zu lösen.
Zwei seiner Schüler, Paul Grilley und Sarah Powers, lösten die passiven Haltungen aus den Klassen heraus und machten Yin Yoga zu dem, wie wir es heutzutage üben – angelehnt an das Ziel der Praxis, Körper und Geist zu mehr Balance zu verhelfen.
2. Der Ursprung des Yin Yoga: Indien trifft auf China
Im Yin Yoga verbinden sich die indische Hatha-Tradition mit dem taoistischen Prinzip von Yin und Yang, d. h. dem Gleichgewicht der Gegensätze. Während der physische Aspekt, d. h. die Asanas (Posen, Körperhaltungen), dabei hauptsächlich aus dem Hatha Yoga stammen, ist der philosophische Ansatz dem Taoismus entnommen – Yang steht dabei für die aktive, energievolle und männliche Energie, Yin für die ruhige, stabile und weibliche Seite. Da unsere heutige schnelllebige Welt sehr yang-lastig ist („höher, schneller, weiter“ – wer kennt es nicht …), kann uns eine yin-orientierte Yogapraxis dabei helfen, ruhiger und ausgeglichener zu werden, sprich: Wieder oder Endlich in Balance zu kommen.
Yin und Yang – zwei entgegengesetzte Kräfte, die es auszubalancieren gilt!
3. Die drei Grundprinzipien des Yin Yoga
Der passive Yin Yoga-Stil beruht im Großen und Ganzen auf drei Grundpfeilern bzw. Leitsätzen. Diese lauten:
FINDE DEINE GRENZE
Was im Yoga generell gilt, das gilt im Yin Yoga ganz besonders: Yoga ist kein Wettbewerb – weder mit anderen, noch mit sich selbst! Es geht im Yin Yoga deshalb nicht um Kraftanstrengung oder darum, sich und seinen Körper mit maximaler Muskelarbeit bis zum Äußersten zu pushen, sondern vielmehr darum, die eigene Grenze und die perfekte Balance zwischen zu wenig und zu viel Anstrengung zu finden und diese für mehrere Minuten zu halten.
Oftmals tendieren wir in unserem Alltag dazu, uns zu pushen, uns anzuspornen und das nächste Erfolgserlebnis anzustreben. Dieses yang-orientierte Leistungsbedürfnis können wir wunderbar in einem aktiven Stil wie Ashtanga oder Vinyasa einsetzen und ausleben; im Yin Yoga hat es allerdings keinen Platz. Weniger ist im Yin Yoga definitiv mehr!
Tipp: Du suchst die gesunde Balance zwischen „Ich spüre zu wenig!“ und „Ich spüre zu viel/Ich habe Schmerzen“? Stelle dir eine Skala zwischen 1 (Minimum an Anstrengung) und 10 (Maximum an Anstrengung) vor – versuche während deiner gesamten Praxis, bei einer 5 zu bleiben!
HALTE GEIST UND KÖRPER RUHIG
Sicherlich eine der schwersten Prinzipien im Yin Yoga: Sobald du deine Grenze gefunden hast, halte Körper und Geist vollständig still – ohne Bewegung, ohne Zappeln und Zuppeln, ohne Gedankenwanderung. Konzentriere dich stattdessen auf deine Atmung (nutze z. B. die Ujjayi-Atmung) und versuche mit jeder neuen Haltung, den gegenwärtigen Moment mehr und mehr anzunehmen und dich tiefer in die Pose hineinsinken zu lassen.
HALTE DEINE POSE
Yin Yoga-Posen werden durchschnittlich drei bis fünf Minuten ohne Muskelkraft gehalten – je nach Level, Pose und Schüler manchmal sogar bis zu zehn Minuten! Lass die Schwerkraft für dich arbeiten und nicht die Muskeln – das ermöglicht es dir, deinen Körper nach und nach zu entspannen, in die Asanas zu gleiten und die einzelnen Posen minutenlang halten zu können. Ein weiterer Nebeneffekt der langen Zeit des Stillhaltens: Nicht nur wird dem Körper Zeit gegeben, langsam und nach und nach in die Pose hineinzugleiten, auch der Kopf fängt an zu arbeiten – das Aushalten der Gedanken ist tatsächlich für viele eine der größten Herausforderungen im Yin Yoga!
Mehr zu der Philosophie und den Hintergründen der drei Grundprinzipien findest du hier!
4. Ab auf den Boden!
Im Yin Yoga wird der Großteil der Asanas auf dem Boden geübt, d. h. entweder im Sitzen, im Liegen oder im variablen Vierfüßlerstand. Angesprochen werden also besonders der untere Rücken, die Hüften, die Beine, die Wirbelsäule und der Bauch – typische Asanas während einer Yin-Stunde sind deshalb Vorbeugen, Rückbeugen, Hüftöffner oder Drehhaltungen. Obgleich die Auswahl an Asanas etwas geringer ist als bei yang-orientierten Yoga-Stilen, so sind individuelle Ausführungen und Anpassungen immer und jederzeit möglich und gewünscht!
Die einzelnen Haltungen werden dabei ohne Muskelkontraktionen oder Anstrengungen zwischen drei und fünf Minuten gehalten; je nach Level und Verfassung des Yogis aber auch bis zu zehn Minuten. Durch die Haltungen am Boden können wir uns leichter in die einzelnen Asanas sinken lassen und uns diesen, nur mithilfe der Schwerkraft, hingeben. Zwischen den einzelnen Haltungen werden oftmals ausgleichende Liegehaltungen eingenommen, die den Körper bzw. das trainierte Körperteil wieder harmonisieren.
5. Block oder Bolster: Ein Hoch auf Hilfsmittel!
In wohl kaum einer anderen Yoga-Art werden so viele Hilfsmittel gebraucht wie im Yin Yoga – ob Bolster, Blöcke, Kissen und Decken, Gurte und (natürlich) die Yogamatte. All diese Materialien dienen dazu, den Zwischenraum von Körper und Boden auszupolstern und abzufedern. Denn wir erinnern uns: Im Yin Yoga arbeiten wir nicht mit unserer Muskel-, sondern mit der Schwerkraft und halten die unterschiedlichen Asanas für mehrere Minuten. Ein Block, ein Bolster oder eine Decke können dann prima helfen, das freischwebende Knie oder den Kopf sanft abzustützen, damit sich der Körper vollkommen entspannen und loslösen kann.
Tipp: Du bist Anfänger im Yin Yoga und hast keine professionellen Hilfsmittel zur Hand? Keine Sorge, die brauchst du auch gar nicht – dicke Bücher, Kissen oder Gürtel eignen sich als perfekter Ersatz! Sei kreativ und probiere aus, was sich für dich in deiner Praxis am besten eignet.
6. Bindegewebe statt Muskelaufbau
Im Yin Yoga wird durch die ruhigen und langgehaltenen Posen das tiefliegende Bindegewebe angesprochen, d. h. die Faszien, Gelenke und Sehnen – im Gegensatz dazu steht bei eher yang-orientierten Yoga-Stilen eher die Kräftigung der Muskeln im Vordergrund. Durch das passive, sanfte und langsame Dehnen und das schrittweise Hineingleiten in die Posen wird die Dehnung weg von den Muskeln und hin zu den tieferen Bindegewebsschichten (v. a. zu den Faszien) gesteuert, sodass sich diese lockern können und Bänder und Sehnen gedehnt werden. Das sanfte Loslassen führt nach und nach zu mehr deine Flexibilität und zu mehr Bewegungsfreiheit.
„Das Muskelgewebe in unserem Körper reagiert auf kurze, rhythmische Impulse und Wiederholungen und wird durch eine dynamische Yogapraxis wie Vinyasa optimal angesprochen. Faszien (und Bindegewebe) hingegen reagieren auf lang gehaltene Dehnungen – dies ist deine Yin Yoga-Praxis.“
Grit Wade – Yogalehrerin (BYV) & Yogatherapeutin (BYVG)
7. Aufwärmen? Nix da!
Richtig gelesen: Yin Yoga wird praktiziert, ohne sich vorher groß aufzuwärmen oder den Körper auf eine anstrengende Einheit vorzubereiten. Was für jeden Sportler erst einmal wie ein absolutes No-Go klingt, ist im Yin Yoga jedoch wichtig. Denn: Im Yin Yoga werden nicht die Muskeln gedehnt und beansprucht, sondern das Bindegewebe. Wenn wir uns aufwärmen, aktivieren wir die Muskeln und fördern die Durchblutung in ihnen, damit wir sie auf eine sportliche Einheit vorbereiten und so das Verletzungsrisiko minimieren. Sind die Muskeln erst einmal warm, werden diese beim Dehnen gekräftigt, nicht aber das Bindegewebe – das jedoch im Yin Yoga unser Ziel ist!
Yin wird die Eigenschaft „kühl“ zugeordnet; Yang hingegen die Eigenschaft „warm“!
Während Aufwärmübungen für unsere Ashtanga-, Hatha- oder Vinyasa-Praxis also essenziel wichtig sind, damit die Muskeln nicht reißen oder verletzt werden, sind diese für Yin Yoga tatsächlich eher kontraproduktiv. Da Yin Yoga also zumeist „kalt“ praktiziert wird, ist die Einhaltung der drei Grundprinzipien ganz besonders wichtig, um schonend und gesund zu üben, sich langsam in die Posen einzufühlen und Verletzungen zu vermeiden!
Tipp: Für viele ist die beste Zeit, Yin Yoga zu praktizieren, gleich nach dem Aufstehen am Morgen – aber wie immer gilt auch hier: Probier aus, was dir gut tut!
8. Yin Yoga schafft Balance und Ausgleich
Hand aufs Herz: Die meisten von uns sind in unserer schnelllebigen Welt eindeutig von viel zu viel Yang-Energie umgeben – Stress, Hektik und Erwartungsdruck, aber auch powervolle Sportarten und Yoga-Stile wie Ashtanga oder Vinyasa lassen uns beinahe rund um die Uhr auf Höchstleistung funktionieren. Das Ergebnis ist, dass wir uns regelmäßig überfordert oder maßlos gestresst fühlen. Gerade dann ist Yin Yoga die perfekte Möglichkeit, etwas Ruhe und ausgleichende Balance in den eigenen Alltag einzuladen.
Natürlich kann auch eine eher yang-orientierte Yogapraxis ab und an genau das Richtige sein, um sich mit frischer Energie zu versorgen oder uns, unseren Körper und unseren Kreislauf so richtig in Schwung zu bringen. Finde heraus, was DU benötigst und entscheide zwischen Yin- oder Yang-Yoga – je nachdem, ob du und dein Körper sich nach Energie oder nach Ruhe sehnen. Idealerweise wechselt man also zwischen yin- und yang-ausgelegten Yoga-Stilen, um die jeweilige Praxis zu ergänzen und sich von allem das Beste herauszuholen!
9. Asanas im Yin Yoga: Vom Schwan über den Drachen bis zum Affen
Die Intention und Wirkungen im Yin Yoga unterscheiden sich von aktiveren, energetischeren Yoga-Stilen bisweilen also stark – und um Schülern und Übenden diese Unterschiede auch während der Praxis immer wieder in Erinnerung zu rufen, haben manche Asanas im Yin Yoga kurzerhand andere Bezeichnungen bekommen. Wichtig ist auch hierbei der, wie so oft im Yoga vorkommende, vollkommen undogmatische Ansatz: Wer durcheinanderkommt oder wem die Taube besser gefällt als der Schwan, kann natürlich trotzdem ganz hervorragend Yin Yoga üben.
Ein paar Beispiele findest du hier:

10. Yin Yoga wirkt dreifach: physisch, mental, emotional
Natürlich wirkt nahezu jede Yoga-Art auf ganzheitliche Weise, doch hat insbesondere Yin Yoga positive Effekte auf physischer, mentaler und emotionaler Ebene.
PHYSISCH
Du möchtest an deiner Flexibilität und Beweglichkeit arbeiten? Dann ist Yin Yoga der optimale Yoga-Stil für dich! Durch den hohen Stretchinganteil und die langen Haltungsphasen der Asanas werden Sehnen und Bänder sanft, aber wirkungsvoll gedehnt und gestärkt, und die Gelenke beweglicher. Gerade für die Bürohengste unter uns ist Yin Yoga besonders hilfreich – eine regelmäßige Praxis lindert Rückenschmerzen, Schulter- und Nackenschmerzen und Verspannungen im oberen Rücken oder in den Hüften.
Yin Yoga wird auch als die „Akupunktur des Yoga“ bezeichnet, da es dabei hilft, auf die Energieleitbahnen im Körper einzuwirken und so Blockaden zu lösen!
MENTAL
Wer viel gestresst ist, viel grübelt und zu Unruhe und Nervosität neigt, kann im introspektiven, beinahe meditativen Yin Yoga ein hilfreiches Tool finden, um sich in Momenten der Anspannung zu beruhigen, zu erden und Stress und Angst abzubauen. Auch hilft uns Yin Yoga dabei, dem Stress aus dem Außen sanft entgegenzuwirken. Gerade zu Anfang ist das unheimlich schwer, mit etwas Übung aber ausgleichend und balancierend.
EMOTIONAL
Die Yin Yoga-Praxis ist nicht nur heilsam für den physischen Körper, sondern auch für die innere Ausrichtung. Im Yin Yoga werden die Asanas ein paar Minuten gehalten, sodass wir unseren Gedanken und Gefühlen still und für einige Momente ausgeliefert sind. Klingt gruselig? Vielleicht – aber auch hier gilt: Übung macht den Meister. Wir begegnen unseren Gedanken, Gefühlen, Empfindungen und lernen sie nach und nach kennen und einzuschätzen – und kommen uns dadurch selbst näher.

Yin Yoga für Anfänger: Das ist Yin Yoga!
Im Yin Yoga stehen passive und langanhaltende Dehn- und Stretchingübungen im Vordergrund, die das gesamte Bindegewebe ansprechen – dadurch fördert dieser ruhige Yoga-Stil die Beweglichkeit und die Flexibilität, kann Rückenschmerzen, und Hüftproblemen vorbeugen und behandeln und Körper und Geist gleichermaßen entspannen.
Zugleich hat Yin Yoga erdende, harmonisierende und ausbalancierende Effekte und eignet sich besonders gut, um Stress, Druck und Hektik des oftmals sehr yang-lastigen Alltags auszugleichen.
Wie und wann hilft DIR Yin Yoga am meisten? Hinterlasse mir gerne einen Kommentar!
Namasté & keep exploring!
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Tine
Was für ein schöner Artikel! Toll erklärt! Ich habe Yin Yoga auch erst kürzlich für mich entdeckt und variiere seitdem zwischen Vinyasa Flows und Yin Yoga. Je nachdem, was mein Körper gerade gut findet 🙂
Svenja
TineOh, vielen lieben Dank!! Ja, die Mischung macht’s, nichts wahr? 🙂